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Kirchengericht: | Landeskirchengericht der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck |
Entscheidungsform: | Urteil ( rechtskräftig) |
Datum: | 01.02.2011 |
Aktenzeichen: | LKGer 2009-2 |
Rechtsgrundlage: | Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV; Art. 1 Abs. 1 und 2 sowie Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 18 Abs. 1 Satz 2 und 145 Abs. 1 Nr. 1 GO; § 6 Abs. 1 KiVwGG; § 20 Nr. 3 VwGG; §§ 9 Abs. 2 und 26 Abs. 2 KV-WahlG |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Altersgrenze für passives Wahlrecht zum Kirchenvorstand, Unzulässiges (verkapptes) Normenkontrollverfahren, Zuständigkeit des Landeskirchengerichts für Entscheidungen aus dem kirchlichen Wahlrecht |
Leitsatz:
Zur Frage der Abschaffung der Altersbegrenzung für das passive Wahlrecht zum Kirchenvorstand nach dessen Wahl.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
#Tatbestand:
#Der über achtzigjährige Kläger begehrt die Abschaffung der Altersbegrenzung für das passive Wahlrecht zum Kirchenvorstand.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 20. und 30. August 2007 an die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck Widerspruch ein gegen die für den 30. September 2007 vorgesehene Kirchenvorstandswahl und beantragte zugleich, die Wahl abzusetzen, die Wahlvorschriften so zu ändern, dass auch den über 70jährigen Gemeindemitgliedern das passive Wahlrecht eingeräumt wird, und erst nach dieser Änderung Neuwahlen anzuberaumen. Zur Begründung hieß es, der Ausschluss derjenigen Gemeindemitglieder vom passiven Wahlrecht, die älter als 70 Jahre seien, verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes.
Mit Schreiben vom 13. September 2007 an die Kirchengemeinde D legte der Kläger außerdem Widerspruch ein „gegen die Wahl als solche wie auch gegen das am 30. September 2007 zustande kommende Wahlergebnis“.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 beantragte der Kläger die Aufhebung der durchgeführten Kirchenvorstandswahl. In einem Gespräch am 24. Oktober 2007 wurde vereinbart, das Schreiben des Klägers vom 13. September 2007 als Einspruch im Sinne von § 26 Abs. 1 des Kirchengesetzes über die Wahl und Berufung zum Kirchenvorstand (KV-WahlG) anzusehen. Außerdem sollte eine Entscheidung bis zur Erstellung eines Rechtsgutachtens des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Universität Göttingen zurückgestellt werden (Schreiben des Landeskirchenamtes vom 1. November 2007). Die „Gutachterliche Stellungnahme zur Altersbegrenzung der Wählbarkeit als Kirchenvorsteher“ wurde mit Datum vom 24. September 2008 (11. Mai 2009) erstellt.
Der Einspruch des Klägers gegen die Kirchenvorstandswahl in seiner Wohnsitzgemeinde D wurde mit Schreiben des dortigen Kirchenvorstandes vom 4. September 2009 zurückgewiesen. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Klägers vom 6. September 2009 wies der Kirchenkreisvorstand B mit Bescheid vom 5. Oktober 2009 zurück. Gleichzeitig teilte er mit, dass ein Grundordnungsänderungsantrag an die Landessynode vom Mai 2009 zur Aufhebung der Altersbegrenzung beim passiven Wahlrecht knapp die erforderliche verfassungsändernde 2/3-Mehrheit verfehlt habe.
Noch im Oktober 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, der Ausschluss der über 70 Jahre alten Gemeindemitglieder vom passiven Wahlrecht zum Kirchenvorstand verstoße gegen die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die Menschenrechte (Art. 1 Abs. 2 GG) und das Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), die gemäß Art 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 WRV „geltende Gesetze für alle“ seien. Die Regelung des Art. 18 der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (GO), durch die Kirchenmitglieder über 70 Jahren aus der Mitarbeit in der Kirche von Kurhessen-Waldeck ausgeschlossen würden, sei nichtig, da sie gegen die Verfassung verstoße.
Wahlen, die aufgrund dieser Regelung stattgefunden hätten, seien ebenfalls nichtig. Die Evangelische Landeskirche bzw. die Synode sei nicht berechtigt, eine Regelung wie die in Art. 18 der Grundordnung festzulegen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, | |
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Der Beklagte beantragt, | |
die Klage abzuweisen. |
Zur Begründung wird ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig. Gemäß § 26 Abs. 1 KV-WahlG könne gegen die Wahl jedes wahlberechtigte Gemeindemitglied beim Kirchenvorstand innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses Einspruch erheben. Dabei unterliege der Anfechtung nur das Wahlverfahren oder die Wählbarkeit eines Gewählten. Ein Normenkontrollverfahren sehe das landeskirchliche Recht im Zusammenhang mit den Kirchenvorstandswahlen jedoch nicht vor. Eine Überprüfung der Grundordnungsbestimmung über die Wählbarkeit (Art. 18 GO) könne nur im Rahmen von § 9 Abs. 2 KV-WahlG stattfinden. Nach dieser Vorschrift könnten der Unterzeichner eines Wahlvorschlages oder ein möglicher Kandidat für die Kirchenvorstandswahl Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Kirchenvorstandes einlegen, mit der der Kandidat als nicht wählbar von den Wahlvorschlägen gestrichen worden sei. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Behördenakte des Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen.
#Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zum Teil bereits unzulässig, zum Teil offensichtlich unbegründet.
Die Zuständigkeit des Landeskirchengerichts ergibt sich aus § 6 Abs. 1 des Kirchengesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (KiVwGG) i. V. m. Art. 145 Abs. 1 Nr. 1 GO, § 20 Nr. 3 des Kirchengesetzes über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit (VwGG) und §§ 26 Abs. 2, 9 Abs. 2 KV-WahlG. Danach ist das Landeskirchengericht für Entscheidungen aus dem kirchlichen Wahlrecht nur dann zuständig, wenn das kirchliche Recht es bestimmt. Entsprechende Bestimmungen liegen vor mit § 26 Abs. 2 und § 9 Abs. 2 KV-WahlG.
Soweit der Kläger beantragt, den Bescheid des Kirchenvorstandes D vom 4. September 2009 in Form des Bescheides des Kirchenkreisvorstandes B vom 5. Oktober 2009 aufzuheben, ist die Klage form- und fristgerecht erhoben worden. Die Klage ist jedoch offensichtlich unbegründet.
In § 26 KV-WahlG heißt es:
- (1) Gegen die Wahl kann jedes wahlberechtigte Gemeindemitglied beim Kirchenvorstand innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses Einspruch erheben. Der Anfechtung unterliegen nur das Wahlverfahren oder die Wählbarkeit eines Gewählten.
- (2) Gegen eine ablehnende Entscheidung des Kirchenvorstandes ist binnen einer Woche Beschwerde beim Kirchenkreisvorstand zulässig. Gegen dessen ablehnenden Bescheid kann innerhalb eines Monats Klage beim Landeskirchengericht erhoben werden.
Gegen die Wählbarkeit eines Gewählten richtet sich die Klage des Klägers nicht. Auch gegen das Wahlverfahren als solches erhebt er keine Einwendungen, wie sich aus seinem Schreiben vom 6. August 2009 an die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck entnehmen lässt. Damit ist eine Verletzung des § 26 Abs. 1 KV-WahlG nicht dargetan.
Auch die Verletzung des § 9 KV-WahlG ist nicht ersichtlich.
Gemäß § 9 KV-WahlG gilt Folgendes:
- (1) Der Kirchenvorstand prüft nach Ablauf der in § 8 Abs. 1 gesetzten Frist, ob die Wahlvorschläge ordnungsgemäß aufgestellt und ob die benannten Personen wählbar sind. Er hat darauf hinzuwirken, dass Mängel der Wahlvorschläge sowie Hindernisse, die der Wahl der Vorgeschlagenen im Wege stehen, behoben werden.
- (2) Der Kirchenvorstand trifft die erforderlichen Feststellungen, streicht die Namen der nicht wählbaren Personen von den Vorschlägen und benachrichtigt diese sowie den ersten Unterzeichner der Vorschläge unverzüglich unter Angabe des gesetzlichen Grundes der Streichung. Diesen Beteiligten steht binnen zwei Wochen nach Eingang der Nachricht die Beschwerde an den Kirchenkreisvorstand offen. Gegen eine ablehnende Entscheidung können die Beteiligten innerhalb eines Monats Klage beim Landeskirchengericht erheben. § 3 Abs. 3 gilt entsprechend.
Auch die Verletzung dieser Vorschrift macht der Kläger nicht geltend. Er trägt nicht vor und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass er als Wahlbewerber abgelehnt worden oder als Unterzeichner eines entsprechenden Wahlvorschlages betroffen wäre. Da der Kläger also nicht die Verletzung eigener Rechte rügt, fehlt es außerdem bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Eine Klage ist gemäß § 21 Abs. 1 VwGG nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch eine kirchliche Entscheidung oder Unterlassung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Daran fehlt es hier.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch den Vortrag des Klägers, die Altersbegrenzung in Art. 18 GO verstoße gegen die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die Menschenrechte (Art. 1 Abs. 2 GG) und das Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG).
Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 2. erreichen will, die Kirchenvorstandswahl 2007 abzusetzen, die Wahlvorschriften so zu ändern, dass auch den über 70jährigen Gemeindemitgliedern das passive Wahlrecht eingeräumt wird, und erst nach dieser Änderung Neuwahlen anzuberaumen, hat dieses Begehren jedenfalls insoweit seine Erledigung gefunden, als die Kirchenvorstandswahl 2007 durchgeführt worden ist. Daraus folgt die Unzulässigkeit der Klage.
Auch im Übrigen ist die Klage unzulässig, denn der Kläger macht nicht die Verletzung eigener Rechte geltend. Vielmehr rügt er im Sinne einer abstrakten Normenkontrollklage allgemein die Rechtmäßigkeit des Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GO. Ein solcher Rechtsbehelf ist jedoch weder in der Grundordnung noch im Kirchenverwaltungsgerichtsgesetz der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vorgesehen.
Vielmehr heißt es in § 6 KiVwGG:
- „(1) Das Landeskirchengericht entscheidet in allen kirchlichen Streitigkeiten, soweit nicht andere Rechtsbehelfe vorgesehen sind oder die Anrufung des Landeskirchengerichts durch Kirchengesetz ausgeschlossen ist.
- (2) Der Zuständigkeit des Landeskirchengerichts unterliegen nicht a) Normenkontrollverfahren, f) Entscheidungen aus dem kirchlichen Wahlrecht.“
Ausnahmen hinsichtlich des Wahlrechts gelten nur, wenn es das kirchliche Recht bestimmt. Dies ist mit den bereits untersuchten Regelungen der § 26 KV-WahlG und § 9 KV-WahlG der Fall. Der Kläger macht hier jedoch, wie schon ausgeführt, weder Rechtsverstöße im Zusammenhang mit dem Wahlverfahren der Kirchenvorstandswahl im Jahre 2007 geltend noch wendet er sich gegen die Wählbarkeit eines Gewählten. Er macht auch nicht die Verletzung eigener Rechte im Zusammenhang mit der Wahlvorbereitung bzw. der Erstellung von Wahlvorschlägen geltend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs.1 VwGG.