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Kirchengericht: | Landeskirchengericht der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck |
Entscheidungsform: | Beschluss |
Datum: | 22.04.2024 |
Aktenzeichen: | LKGer 2024-1 |
Rechtsgrundlage: | Art. 52 GO; § 20 Abs. 3 VwGG.EKD, § 41 VwGG.EKD; § 25 PfDG.EKD, § 83 Abs.2 PfDG.EKD, § 105 PfDG.EKD; § 27 AG.EKKW-PfDG.EKD; Art. 33 Abs. 2 GG |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Anstellungsfähigkeit, Bewerbung, Bischofswahl, Ermessensentscheidung, Ermessensspielraum, Pfarrstelle, Probezeit, Versetzung, Wartestand, Willkürverbot |
Leitsatz:
- Eine landeskirchliche Verfügungsstelle stellt keine Stelle im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 AG.EKKW-PfDG.EKD dar.
- Die Auswahlentscheidung des Bischofs für die Besetzung einer Pfarrstelle gemäß Art. 52 Abs. 1 GO ist nicht an die Auswahltrias Eignung, Befähigung und fachliche Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) gebunden. Die nach dem BesetzungsG geregelte Auswahl durch den Bischof ist gerichtlich nur begrenzt auf Ermessensfehler überprüfbar.
- Der Entscheidungsspielraum des Bischofs ist begrenzt durch das Willkürverbot. Hieraus folgt auch, dass die Entscheidung hinreichend und auf den Einzelfall bezogen begründet werden muss.
- Es begegnet rechtlichen Bedenken, Vorfälle oder Verhaltensweisen aus der Probezeit nach der Feststellung der Anstellungsfähigkeit (§ 15 Abs. 1 PfDG.EKD) in die Ermessenserwägungen für eine spätere Wartestandsversetzung aufzunehmen. Dies schließt nicht aus, vergleichbare Verhaltensweisen heranzuziehen, soweit sie im Zeitraum nach Bejahung der Anstellungsfähigkeit erneut belegt werden können.
- Eine generelle Ablehnung von Bewerbungen auf ausgeschriebene Pfarrstellen oder gar die Aufforderung, sich auf Stellen mit Bischofsbesetzung nicht mehr zu bewerben, ist – jedenfalls nach der insoweit verringerten Prüfungsdichte im Eilverfahren – mit den Regelungen der §§ 79, 80 PfDG.EKD nicht vereinbar.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
#Tatbestand:
#Der Antragsteller wendet sich gegen die Versetzung in den Wartestand.
Der Antragsteller ist Pfarrer im Dienst der Antragsgegnerin. Bis zum Februar 2022 war er Stelleninhaber der Pfarrstelle D. Am 16. Februar 2022 beantragte er seine sofortige Versetzung aus der Pfarrstelle. Am 17. Februar 2022 übertrug die Antragsgegnerin ihm eine landeskirchliche Verfügungsstelle.
In der Folgezeit bewarb sich der Antragsteller auf verschiedene Gemeindepfarrstellen, ohne dass die Bischöfin ihn zur Besetzung in Aussicht nahm oder eine Gemeinde ihn wählte.
Mit Schreiben vom 10. August 2023 (Bl. G 32 d. Personalakte – PA –) hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Versetzung in den Wartestand an. Zur Begründung führte sie aus, ihm habe seit der Versetzung aus der Pfarrstelle D keine Pfarrstelle übertragen werden können. Ihm sei dabei mitgeteilt worden, dass er sich auf Pfarrstellen mit dem Besetzungsrecht der Bischöfin nicht zu bewerben brauche. Die Bischöfin habe die berufliche Entwicklung des Antragstellers und die Konfliktfelder während der Dienstzeit in einer Gesamtschau bewertet.
Der Antragsteller äußerte sich mit Schreiben vom 24. August 2023. Er führte aus, er habe sich redlich um eine Bewerbung bemüht. Vorfälle in der Probezeit könnten ihm nicht mehr entgegengehalten werden, weil seine Anstellungsfähigkeit mittlerweile festgestellt worden sei. Die nunmehr vorgetragenen Probleme mit Ehrenamtlichen bezögen sich fast ausschließlich auf eine Frau, die zudem eine langjährige Bekannte des Dekans sei, der zuvor ein rechtswidriges Disziplinarverfahren angestrengt habe. Es liege an der Bischöfin, dass ihm keine Pfarrstelle übertragen werde könne.
Mit Verfügung vom 20. Dezember 2023 (Bl. G 41 d. PA) versetzte die Bischöfin den Antragsteller in den Wartestand. Sie hält die Versetzung in eine reguläre Stelle derzeit nicht für durchführbar. Aufgrund der bisherigen Vorkommnisse könne sie den Antragsteller nicht ohne Bedenken einem Kirchenvorstand zur Besetzung einer vakanten Stelle vorschlagen. In diese Entscheidung würden alle Vorkommnisse, Probleme und Auseinandersetzungen in den bisherigen Pfarrstellen des Antragstellers einbezogen, ganz gleich, ob sie mit kirchlichen Gremien, Schulen, haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden oder der Kirchenleitung ausgetragen wurden und werden. Eine Pfarrstelle habe dem Antragsteller auch nicht auf Gemeindewahl hin übertragen werden können.
Unter dem 2. Januar 2024 legte der Antragsteller Widerspruch gegen diese Verfügung ein. Zur Begründung führt er aus, er werde seit zwei Jahren allein gelassen. Es wäre geboten gewesen, ihm durch ein Bewerbungsgespräch jedenfalls die Chance zur eigenen Bewährung einzuräumen. Ein Abberufungsverfahren in D, das angeblich gedroht habe, sei ihm nicht bekannt. Die Antragsgegnerin habe auch kein Wahlrecht zwischen der Versetzung in eine andere Stelle oder der Versetzung in den Wartestand.
Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2024, bei Gericht eingegangen am 11. Januar 2024, hat der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung wiederholt er den Vortrag aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, eine Versetzung in eine andere Stelle sei nur dann nicht durchführbar, wenn ihr zwingende Gründe entgegenstünden. Die Bischöfin dürfe dabei nur prüfen, ob die Anstellungsfähigkeit vorliege. Diese habe er, der Antragsteller, jedoch bereits zuerkannt bekommen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 02.01.2024 gegen den Wartestandsbescheid der Antragsgegnerin vom 20.12.2023 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, die Versetzung in den Wartestand sei rechtmäßig. Eine solche erfolge, wenn eine Pfarrstelle nicht übertragen werden könne, was anzunehmen sei, wenn innerhalb von neun Monaten nach Bekanntgabe der Versetzung aus der bisherigen Stelle keine andere Stelle übertragen wurde. Der Antragsteller sei mit Verfügung vom 17. Februar 2022 aus der Stelle D versetzt worden. Seine umfangreichen Bewerbungsbemühungen innerhalb und außerhalb der Landeskirche seien ohne Erfolg geblieben. Die Antragsgegnerin habe die Bemühungen des Antragstellers nicht vereitelt. Bei Stellen mit Gemeindewahl seien die Bewerbungen weitergeleitet worden, der Antragsteller sei jedoch nicht gewählt worden. Die Entscheidung der Bischöfin, den Antragsteller nicht für eine Besetzung einer Pfarrstelle bei Bischofsbesetzung in Aussicht zu nehmen, sei nicht zu beanstanden. Sie unterliege einem gerichtlich nicht überprüfbaren Ermessensspielraum. Eine Versetzung wegen nachhaltiger Störung werde aktuell nicht betrieben und sei auch nicht erforderlich. Die landeskirchliche Verfügungsstelle sei dem Antragsteller nur befristet übertragen worden. Dem Antragsteller drohe durch den Wegfall des Suspensiveffekts auch kein irreparabler Schaden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch den des beigezogenen Verfahren LKGer 2023-3, der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin, der Personalakte des Antragstellers und des Sitzungsprotokolls vom 22. April 2024 Bezug genommen.
#Entscheidungsgründe:
Der Antrag ist gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD – VwGG.EKD –, § 105 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Pfarrdienstgesetz der EKD – PfDG.EKD – statthaft, auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
- 1)
- Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder der Klage nach § 20 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 VwGG.EKD ist dann begründet, wenn das private Interesse des Betroffenen daran, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens von der Vollziehung des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, das kirchliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Dabei ist in den Fällen der Versetzung in den Wartestand nach § 83 Abs. 2 PfDG.EKD die gesetzgeberische Grundentscheidung des § 105 Abs. 3 Nr. 5 PfDG.EKD zu beachten, dass die Klage im Regelfall keine aufschiebende Wirkung entfalten soll. Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt das kirchliche Vollzugsinteresse daher grundsätzlich dann, wenn die vorläufige Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren eindeutig ergibt, dass sich die angefochtene Entscheidung voraussichtlich als rechtswidrig erweisen, mithin keinen Bestand haben wird. Denn am Vollzug einer gegen das Kirchenrecht verstoßenden Entscheidung kann kein kirchliches Interesse bestehen. Sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache offen, weil die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nach summarischer Prüfung nicht abschließend feststeht, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung begründet, wenn nach Abwägung der gegenläufigen Interessen dem Vollzugsinteresse geringeres Gewicht zukommt.Diese in der Rechtsprechung zu § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – entwickelten Grundsätze sind auf das kirchengerichtliche Verfahren übertragbar (allgemein hierzu Germann, Kirchliche Gerichtsbarkeit, in: Anke/de Wall/Heinig [Hg.], Handbuch des evangelischen Kirchenrechts – HevKR –, 2016, § 31 S. 1120). Die Formulierung des § 20 Abs. 2 Satz 1 VwGG.EKD ist insoweit weitgehend identisch. Auch der Zweck der Vorschrift unterscheidet sich nicht von der Regelung. Gestützt wird dieser Befund durch die Entstehungsgeschichte. Die Begründung zum Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD führt in der Erläuterung zu § 20 neben dem Verweis auf die gleichlautenden Vorschriften des zum Vorbild genommenen Verwaltungsgerichtsgesetz der UEK auch den § 80 Abs. 5 VwGO explizit auf (https://www.kirchenrecht-ekd.de/document/15027, abgerufen am 25.03.2024).
- 2)
- Nach diesen Grundsätzen überwiegt das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug der Wartestandsverfügung vorläufig verschont zu bleiben, nicht das kirchliche Interesse am sofortigen Vollzug.Dabei sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs im Eilverfahren nicht eindeutig zu beurteilen, weil die Wartestandsversetzung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zwar rechtmäßig ist (a), allerdings offen bleibt, ob dem Antragsteller bis zu einer Entscheidung über den Widerspruch bzw. ein sich etwaig anschließendes Klageverfahren eine Pfarrstelle übertragen werden kann (b). Das Sofortvollzugsinteresse überwiegt jedoch das Suspensivinteresse des Antragstellers (c)
- Die Wartestandsverfügung vom 20. Dezember 2023 stellt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als rechtmäßig und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzend dar (§ 17 Abs. 1 Buchst. a) VwGG.EKD entsprechend).Sie beruht zu Recht auf § 83 Abs. 2 Satz 1 PfDG.EKD. Von dieser Vorschrift hat die Antragsgegnerin voraussichtlich formell und materiell rechtmäßig Gebrauch gemacht.Nach § 83 Abs. 2 Satz 1 PfDG.EKD werden Pfarrer in den Wartestand versetzt, wenn eine Versetzung in eine andere Stelle in den Fällen des § 79 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 und 5 nicht durchführbar ist. Eine Versetzung in eine andere Stelle kann nach dem Recht der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) als nicht durchführbar angesehen werden, wenn innerhalb von neun Monaten nach Ende des Monats, in dem dem Pfarrer die Versetzung aus seiner bisherigen Stelle bekannt gegeben worden ist, keine andere Stelle übertragen wurde (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Ausführungsgesetz zum Pfarrdienstgesetz der EKD – AG.EKKW-PfDG.EKD –).Der Antragsteller wurde auf seinen Wunsch vom 16. Februar 2022 am 17. Februar 2022 aus seiner Pfarrstelle versetzt. Innerhalb von neun Monaten nach dieser Versetzung – und darüber hinaus für einen Zeitraum von insgesamt mittlerweile mehr als zwei Jahren – konnte dem Antragsteller keine andere Stelle übertragen werden. Die ihm zugewiesene landeskirchliche Verfügungsstelle stellt nach Auffassung des Landeskirchengerichts dabei keine Stelle im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 AG.EKKW-PfDG.EKD dar, weil es sich hierbei nicht um einen Auftrag nach § 25 PfDG.EKD handelt.Die Entscheidung der Antragsgegnerin, eine Versetzung als nicht durchführbar anzusehen, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 AG.EKKW-PfDG.EKD grundsätzlich dem Ermessen unterliegt, stellt sich nicht als ermessensfehlerhaft dar.Dabei ist die gerichtliche Prüfung von Ermessensentscheidungen gem. § 41 Satz 1 VwGG.EKD darauf beschränkt, zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Eine Überschreitung des Ermessenspielraums ist nicht ersichtlich, weil § 27 Abs. 1 Satz 2 AG.EKKW-PfDG.EKD die gewählte Rechtsfolge ausdrücklich erfasst. Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen auch ausgeübt, insbesondere abgewartet, bis das Ergebnis der Initiativbewerbung des Antragstellers auf die Stelle in E vorlag. Die Entscheidung erweist sich auch als verhältnismäßig (zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Kirchenrecht vgl. Traulsen, Rechtsstaatlichkeit und Kirchenordnung, 2013, S. 277).Die Versetzung in den Wartestand verfolgt den Zweck, zu vermeiden, dass ein Pfarrer die volle Besoldung bezieht, obwohl diese nicht durch eine Haushaltsstelle abgesichert sind (vgl. de Wall, Das Pfarrdienstrecht der EKD, in: ZevKR 57 (2012), S. 391–409 [408]). Sie ist hierfür geeignet und erforderlich. Ein milderes Mittel wäre zwar die Übertragung einer anderen Stelle. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegnerin dieses Mittel zur Verfügung steht. Die Antragsgegnerin hat es nicht in der Hand, dem Antragsteller eine Gemeindepfarrstelle zu übertragen. Denn der Antragsteller bewirbt sich seit zwei Jahren ohne Erfolg auf freie Gemeindepfarrstellen.Er hat auch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass er sich derzeit auf freie Pfarrstellen beworben hat und insbesondere das betreffende Pfarrstellenprofil erfüllt.Die Entscheidung der Antragsgegnerin erweist sich auch als angemessen, weil die Rechtsfolgen, die durch den Antragsteller hinzunehmen sind, nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Zweck stehen. Der Antragsteller erhält weiterhin einen hohen Anteil seiner Bezüge, ohne hierfür entsprechende Tätigkeiten versehen zu müssen. Er ist weiterhin Pfarrer im Dienst der Landeskirche und darf (und muss!) sich als solcher weiterhin auf frei werdende Pfarrstellen bewerben. Dabei ist er grundsätzlich auch nicht auf Gemeindepfarrstellen beschränkt, sondern kann sich auch auf Funktionspfarrstellen bewerben. Ob er für die Besetzung einer Funktionspfarrstelle in Betracht kommt, kann offen bleiben, weil er sich bislang – soweit ersichtlich – nicht auf eine solche beworben hat.
- Allerdings sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs offen, weil im Rahmen der summarischen Prüfung im Eilverfahren nicht feststeht, dass dem Antragsteller auch bis zu einer Entscheidung über den Widerspruch – und bis zum Abschluss eines sich etwaig anschließenden Klageverfahrens – keine Pfarrstelle übertragen werden kann. Zwar unterliegt die Auswahlentscheidung der Bischöfin in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen nur der Willkürkontrolle des Gerichts (aa). Die von ihr in der Wartestandsversetzungsverfügung angeführten Gründe lassen jedoch nicht erkennen, dass der Ausschluss des Antragstellers aus Bewerbungsverfahren mit Bischofsbesetzung keine sachfremden Erwägungen zugrunde liegen (bb).
- aa)
- Die Besetzung der Pfarrstelle steht gem. Art. 52 Abs. 1 der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck – GO – grundsätzlich dem Bischof zu. Bei Gemeindepfarrstellen erfolgt die Besetzung alternierend aufgrund einer Wahl der Kirchengemeinde (Art. 52 Abs. 2 GO). Das vor allem in reformierter Tradition verbreitete Gemeindewahlrecht, durch das der Pfarrer als „Funktionär“ der Gemeinde erscheinen könnte (vgl. de Wall, Pfarrer und Kirchenbeamte, HevKR, § 6 Rn. 13), wird in der EKKW also – eher lutherischer Tradition entsprechend – neben die Bischofsbesetzung gestellt. Dabei sind die Besetzungsformen nicht ohne Durchbrechung: Im Rahmen der Bischofsbesetzung kann die Gemeinde Einwendungen erheben (§ 11 Kirchengesetz über die Besetzung von Gemeinde- und Kirchenkreispfarrstellen – BesetzungsG –), die Gemeindewahl bedarf der Bestätigung durch den Bischof (die allerdings nur wegen Verfahrensfehlern oder unlauterer Beeinflussung der Wahl versagt werden darf, § 9 Abs. 2 BesetzungsG).Nach dem System der Grundordnung ist es damit Aufgabe sowohl der Kirchengemeinde als auch des Bischofs, die dauerhafte Wahrnehmung des Verkündigungsauftrags im Bereich der jeweiligen Kirchengemeinde durch die Besetzung der Pfarrstelle in jeweils eigener Verantwortung zu sichern. Welche Erwägungen jeweils entscheidend sind, ist nicht rechtlich festgeschrieben, von den jeweiligen Besonderheiten einer Gemeinde abhängig und gerichtlich nicht überprüfbar.Im Fall der Besetzung nach Gemeindewahl ergibt sich dies bereits daraus, dass es sich um eine gerichtlich nicht inhaltlich überprüfbare Wahlentscheidung handelt.Auch der Bischof ist nicht verpflichtet, einer bestimmten Person eine Pfarrstelle zu übertragen. Seine Auswahlentscheidung ist nicht nach Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – GG – an die Auswahltrias Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gebunden (1). Im Übrigen ist sein Auswahlermessen gerichtlich nur begrenzt überprüfbar (2).
- (1)
- Eine unmittelbare Bindung der Kirchen an das in Art. 33 GG enthaltene grundrechtsgleiche Recht besteht nicht (zur Frage der Grundrechtsbindung vgl. Reisgies, Evangelische Kirchenrechtsetzung, 2017, S. 113ff.). Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck hat sich auch nicht entschieden, die Besetzung von Pfarrstellen allein nach der Auswahltrias Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Eine entsprechende Regelung enthält weder die Grundordnung, das BesetzungsG, noch das Pfarrdienstgesetz der EKD oder das hierzu erlassene Ausführungsgesetz der EKKW. Das Kirchenrecht hat auch keinen Bedarf für eine entsprechende Regelung, weil das Pfarrerdienstrecht kein Laufbahnprinzip kennt. Nach der Berufung in das Pfarrdienstverhältnis auf Lebenszeit gibt es keine weiteren Rechtsakte, die das Amt im statusrechtlichen Sinn betreffen und für die im staatlichen Recht eine Ernennung erforderlich wäre (Koch, Art. Pfarrdienstrecht, in: Heinig/Reisgies [Hg.], 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht, 2019, S. 201 [203]). Das Pfarrdienstverhältnis unterscheidet sich insoweit auch vom Kirchenbeamtenverhältnis, in dem im Wege der Bestenauslese diejenigen gewonnen werden sollen, die eine bestimmte Funktion optimal erfüllen können, weshalb hierbei andere Gesichtspunkte zurücktreten (Munsonius, Evangelisches Kirchenrecht, 2015, S. 124; de Wall, Pfarrer und Kirchenbeamte, HevKR, § 6 Rn. 111). Denn insbesondere die Verwendung im Auftrag des Gemeindepfarrers (§ 27 PfDG.EKD) ist angesichts der divergierenden Voraussetzungen in den Gemeinden miteinander nicht dergestalt vergleichbar, dass eine einheitliche Beurteilung der Befähigung möglich und die Auswahl des jeweils Besten denkbar wäre.
- (2)
- Der nach dem BesetzungsG geregelten Auswahl durch den Bischof kommt ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Ermessenspielraum zu.Ein derartiger Ermessensspielraum folgt dabei bereits aus dem systematischen Zusammenhang des BesetzungsG. Die Regelungen der Pfarrstellenbesetzung sehen mit der alternierenden Auswahl durch Bischof und nach Gemeindewahl (Art. 52 Abs. 2 GO) zwei gleichrangige Auswahlmöglichkeiten vor. Offensichtlich handelt es sich bei der Besetzung nach Gemeindewahl nicht um eine an rechtlichen Kriterien ausgerichtete oder gar an solche gebundene Personalauswahl, wie sie der Besetzung von Beförderungsstellen im staatlichen öffentlichen Dienst zugrunde liegt. Denn der Kirchenvorstand, der das Wahlrecht für die Gemeinde ausübt (§ 5 BesetzungsG), kann bereits ausdrücklich nach seinem Ermessen entscheiden, ob und wen er im Fall mehrerer Bewerbungen zu Predigt, Katechese und Kolloquium auffordert (§ 7 Satz 1 BesetzungsG). Die Bestätigung der Wahl durch den Bischof darf nur versagt werden, wenn gegen zwingende Verfahrensvorschriften verstoßen wurde oder der Kirchenvorstand in unlauterer Weise beeinflusst wurde (§ 9 Abs. 2 BesetzungsG) – andere rechtliche Kriterien oder gar eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle sieht das BesetzungsG nicht vor. Dementsprechend ist auch die Besetzung der Stelle durch den Bischof nicht an rechtliche Auswahlkriterien gebunden. Es sind bereits keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass zwischen den beiden Besetzungsmöglichkeiten Unterschiede hinsichtlich der Bewerberauswahl bestehen sollen. Weder in der Grundordnung noch im BesetzungsG lassen sich derartige Kriterien finden.Dieses Ergebnis wird durch einen Blick auf die Funktion des Bischofs nach der Grundordnung gestützt. Denn bei ihm handelt es sich um ein selbständiges Organ, das zur Leitung und Verwaltung der Landeskirche – geistlich und rechtlich in unaufgebbarer Einheit – ebenso berufen ist, wie die Landessynode, die Pröpste, der Rat der Landeskirche und das Landeskirchenamt (Art. 89 Abs. 2 GO). Dem Bischof kommt dabei zusammen mit der Landessynode eine herausgehobene Rolle zu, weil diese Organe in ihrem Miteinander und Gegenüber die oberste Verantwortung für Leben und Dienst der Landeskirche tragen (Art. 89 Abs. 1 GO). Aus der von der Grundordnung gewählten Formulierung „Miteinander und Gegenüber“ lassen sich rechtliche Schlussfolgerungen nur begrenzt ableiten. Es handelt sich um eine dem Recht der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck eigentümliche Formulierung, die als sog. Pathosformel zwar in verdichteter Form fundamentale Aussagen trifft, indes für vielfältige Lesarten anschlussfähig ist und so zugleich integrierend wie polarisierend wirken kann (Munsonius, Schlicht und pathetisch – Von der Eigenart kirchlichen Verfassungsrechts am Beispiel der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, in: Knöppel [Hg.], Miteinander und Gegenüber. 50 Jahre Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, 2018, S. 23–43 [34–36]). Historisch sollte die Formulierung jedenfalls die – aufgrund evidenter kirchlicher Legitimität bestehende – herausgehobene Stellung von Landessynode und Bischof kennzeichnen (Pirson, Zum Erlaß einer neuen Verfassung für die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, in: ZevKR 13 [1967/68], S. 256–268 [262]) und Fragen der Zuordnung von Amt und Gemeinde regeln (vgl. Hein, „Miteinander und Gegenüber“: Eine historische Analyse des Konstruktionsprinzips der „Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck“ von 1967, in: ZevKR 39 [1994], S. 1–19 [16]). Die besondere kirchliche Legitimität des Bischofs ist rechtlich auch dadurch begründet, dass das Bischofswahlgesetz (nunmehr Kirchengesetz über die Wahl einer Bischöfin oder eines Bischofs vom 24. November 2021 [KABl. S. 202]) neben der Grundordnung ebenfalls Verfassungsrang genießt und dem qualifizierten Änderungsregime der Art. 98, 99 GO unterliegt (Reisgies, Verfassungsändernder Charakter von Gesetzen? Zu Artikel 99 Absätze 2 und 3 der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, in: ZevKR 61 (2016), S. 191–201 [196]). Aus Art. 89 Abs. 1 und 2 GO ergibt sich unmittelbar, dass der Bischof ein Leitungsorgan der Landeskirche mit eigenen Befugnissen ist, die unabhängig von der Landessynode, dem Rat der Landeskirche, den Pröpsten und dem Landeskirchenamt wahrgenommen werden. Die Aufgabe der Pfarrstellenbesetzung aus Art. 52 Abs. 1 GO gehört zu diesen ihm allein obliegenden Aufgaben.Allerdings handelt es sich nicht um eine keinerlei rechtlichen Bindungen unterworfene freie Entscheidung. Denn die Auswahl eines Pfarrers für die Besetzung einer Gemeindepfarrstelle wirkt sich mittelbar auch auf die Rechtsstellung des Pfarrers aus, der sich auf die Besetzung beworben hat. Da insoweit auch das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis zumindest betroffen ist, wird der Entscheidungsspielraum des Bischofs – der insoweit als weiter Ermessensspielraum aufgefasst werden kann – nur, aber eben begrenzt durch das – jedem Recht immanente (vgl. Reisgies, Evangelische Kirchenrechtsetzung, 2017, S. 12, vgl. auch S. 184 m. w. N.) – Willkürverbot. Dieses lässt eine gerichtliche Überprüfung jedenfalls auch hinsichtlich der Frage, ob sachfremde Erwägungen herangezogen wurden, zu und erfordert diese Prüfung. Aus dem Willkürverbot folgt dabei auch, dass die entsprechende Entscheidung hinreichend und auf den Einzelfall bezogen begründet wird, damit das zur Entscheidung berufene Gericht in die Lage versetzt wird, die angeführten Gründe nachzuvollziehen.
- bb)
- Die von der Bischöfin in der Wartestandsversetzungsverfügung genannten Erwägungen, weshalb sie den Antragsteller generell nicht zur Besetzung einer Gemeindepfarrstelle in Aussicht nimmt, genügen nach Auffassung des Landeskirchengerichts nicht den Anforderungen an eine hinreichende Begründung. Darüber hinaus bestehen erhebliche Bedenken, dass eine generelle Ablehnung – ohne dass ein Verfahren nach § 80 Abs. 1 und 2, § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 PfDG.EKD erfolgt ist – einer rechtlichen Überprüfung standhält.Erstens fordert die Ablehnung des Bewerbers um eine Gemeindepfarrstelle mit Bischofsbesetzung jedenfalls dann, wenn keiner der (oder der einzige) Bewerber nicht in Aussicht genommen wird, dass sich der entsprechenden Mitteilung die tragenden Gründe entnehmen lassen. Dabei ist die Bischöfin nicht darauf beschränkt, die (fehlende) Übereinstimmung mit dem Gemeindeprofil festzustellen, sondern kann und darf aus ihrer Verantwortung für die Sicherung des Verkündigungsauftrags auch weitere Gesichtspunkte heranziehen. Die Begründung der Entscheidung muss dabei allerdings den oben genannten Grundsätzen genügen, um dem Gericht die Prüfung auf sachfremde Erwägungen zu ermöglichen.Zweitens begegnet es nach Auffassung des Landeskirchengerichts rechtlichen Bedenken, Vorfälle oder Verhaltensweisen aus der Probezeit mit in die Ermessenserwägungen aufzunehmen. Denn die Probezeit wird mit der Feststellung der Anstellungsfähigkeit (§ 15 Abs. 1 PfDG.EKD) beendet. Damit ist die Entscheidung getroffen, dass vergangene Bedenken ausgeräumt sind oder jedenfalls nicht die Schwere aufweisen, dass sie der Übertragung einer Pfarrstelle entgegenstünden – insbesondere, wenn hierzu eine Verlängerung der Probezeit erforderlich war. Dies schließt allerdings nicht aus, bei der späteren Ermessensausübung hinsichtlich einer Versetzung in den Wartestand Umstände (wie etwa mangelnde Kommunikationsfähigkeit oder Defizite im Umgang mit ehrenamtlich Mitarbeitenden) heranzuziehen, soweit sie im Zeitraum nach Bejahung der Anstellungsfähigkeit erneut belegt werden können.Die Bischöfin kann sich zwar entscheiden, nach ihrer Würdigung der Ereignisse zumindest der jüngeren Vergangenheit den Antragsteller nicht zur Besetzung für eine Gemeindepfarrstelle vorzusehen (S. 2 der Wartestandsversetzungsverfügung, Bl. G 42 d. PA), wird allerdings hierbei zunächst zu prüfen haben, ob der Antragsteller das jeweilige Profil der Kirchengemeinde erfüllt. Wenn dies der Fall ist, hat sie ihre tragenden Erwägungen für eine Nicht-Besetzung unter Nennung der konkreten Gründe anzugeben. Das Landeskirchengericht ist nicht in der Lage, aus Formulierungen wie „Aufgrund der bisherigen Vorkommnisse kann ich Sie derzeit nicht ohne Bedenken einem Kirchenvorstand zur Besetzung einer vakanten Pfarrstelle vorschlagen“ (S. 2 der Wartestandsversetzungsverfügung, Bl. G 42 d. PA) oder „Die Art und Weise Ihres bisherigen Umgangs mit Konflikten bestärkt mich leider in meiner Sicht, dass eine störungsfreie Wahrnehmung Ihres Dienstes in einer Pfarrstelle nicht zu erwarten ist“ (ebd.) zu entnehmen, auf welcher Tatsachengrundlage die Bischöfin ihre Entscheidung getroffen hat. Daher ist auch eine Feststellung, dass es sich nicht um sachfremde Erwägungen handelt, nicht abschließend möglich. Zwar bestreitet der Antragsteller nicht, dass es in der Vergangenheit Probleme gegeben hat, sondern würdigt diese anders als die Bischöfin (vgl. etwa S. 2 des Schriftsatzes vom 24. August 2023, Anlage 2 zur Antragsschrift). Allerdings ist dem Landeskirchengericht immer noch unklar, um welche Probleme es sich gehandelt haben soll.Soweit die Bischöfin in ihre Gesamtschau auch Vorfälle aus der Probezeit mit einbezieht, steht diesem Bezug die Feststellung der Anstellungsfähigkeit entgegen.Eine generelle Ablehnung von Bewerbungen des Antragstellers oder gar die Aufforderung, sich auf Stellen mit Bischofsbesetzung nicht mehr zu bewerben, ist hingegen – jedenfalls nach der insoweit verringerten Prüfungsdichte im Eilverfahren – mit den Regelungen der §§ 79, 80 PfDG.EKD nicht vereinbar. Denn selbst die Bestimmungen der nachhaltigen Störung des Dienstes stellen gem. § 80 Abs. 1 Satz 2 PfDG.EKD auf die Situation in der konkreten Gemeinde ab, nicht allein auf die Person des Pfarrers. Darüber hinaus sieht das Recht der EKKW nur für den Fall einer Versetzung wegen nachhaltiger Störung einen Genehmigungsvorbehalt für Bewerbungen vor (§ 84 Abs. 4 Satz 2 PfDG.EKD i. V. m. § 27 Abs. 3 Satz 1 AG.EKKW-PfDG.EKD) – erfordert also selbst in diesen Sachverhalten eine Einzelfallentscheidung.Der Antragsteller wurde jedoch – mittlerweile bestandskräftig – nicht wegen nachhaltiger Störung des Dienstes, sondern auf eigenen Wunsch aus der Pfarrstelle D versetzt, weshalb er erst Recht nicht generell von Pfarrstellenausschreibungen ausgeschlossen werden darf, sondern Anspruch auf eine Einzelfallentscheidung hat.
- Das Sofortvollzugsinteresse überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Der kirchliche Gesetzgeber hat durch § 105 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 PfDG.EKD festgelegt, dass bei einer Versetzung in den Wartestand Widerspruch und Anfechtungsklage regelmäßig nicht dazu führen sollen, dass die Besoldung in voller Höhe weitergezahlt wird, sondern dem Pfarrer während des Laufs des Rechtsbehelfsverfahrens die verminderten Wartestandsbezüge (§ 84 Abs. 3 PfDG.EKD) zustehen. Damit erhält der Antragsteller weiterhin einen zur Sicherung des Lebensunterhalts für sich und seine Familie noch genügenden Anteil seiner Bezüge, ohne dafür Dienste verrichten zu müssen.
- 3)
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 60 Abs. 1 VwGG.EKD.