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Kirchengericht: | Landeskirchengericht der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck |
Entscheidungsform: | Urteil |
Datum: | 10.02.2025 |
Aktenzeichen: | LKGer 2024-2 |
Rechtsgrundlage: | Art. 89 Abs. 3 GO; § 15 VwGG.EKD; § 16 VwGG.EKD; § 17 Abs. 1, Abs. 3 VwGG.EKD; § 18 Abs. 3 VwGG.EKD; § 7 KiVwGG; § 8 Abs. 1 KiVwGG und § 22 Satz 1 VVZG.EKD |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Feststellungsklage, Kirchlicher Verwaltungsrechtsweg, Klagebefugnis, Letztentscheidungsrecht, Oberste Kirchenbehörde, Rat der Landeskirche, Synode, Vorverfahren, kirchlicher Verwaltungsakt |
Leitsatz:
- Bei Entscheidungen des Rates der Landeskirche findet kein Vorverfahren statt.
- Entscheidungen der Synoden unterliegen nicht der kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Den Regelungen in Art. 89 Abs. 3 und Art. 98 Abs. 2 GO lassen sich keine subjektiven Rechte für den einzelnen Landessynodalen entnehmen.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
#Tatbestand:
#Der Kläger wendet sich gegen die Entscheidung des Rates der Landeskirche, die Familienbildungsstätte D und die Jugendbildungsstätte E zu schließen.
Der Kläger ist Mitglied der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck.
In seiner Sitzung am 16. September 2023 beschloss der Rat der Landeskirche, die oben genannten Einrichtungen zum 31. Dezember 2023 zu schließen.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2023 legte der Kläger gegen den Beschluss Widerspruch ein. Es stehe nicht dem Rat der Landeskirche, sondern der Landessynode zu, die angegriffene Entscheidung zu treffen. Insbesondere Beschlüsse der Landessynode aus dem Jahr 2015 stünden einer solchen Entscheidung entgegen.
Die 14. Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck bestätigte den Beschluss des Rates der Landeskirche mit Beschluss vom 29. November 2023.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2024 zurück. Er sei unzulässig. Widersprüche gegen Entscheidungen des Rates seien nicht vorgesehen. Allenfalls wäre es möglich, gegen die Entscheidung des Rates unmittelbar Klage vor dem Landeskirchengericht zu erheben. Darüber hinaus liege kein Verwaltungsakt vor; es fehle dem Beschluss des Rates der Landeskirche an Außenwirkung. Der Rat der Landeskirche sei zuständig für Entscheidungen über die Schließung der betroffenen Einrichtungen. Die Landessynode habe in ihrer Herbsttagung 2023 am 29. November 2023 im Übrigen die angegriffene Entscheidung des Rates bestätigt.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. April 2024, beim Kirchengericht am gleichen Tag eingegangen, Klage erhoben. Er gehe davon aus, dass ein Vorverfahren zulässig sei. Die Entscheidung des Rates der Landeskirche habe auch Außenwirkung, da jedenfalls die Mitarbeiter der betroffenen Einrichtungen betroffen seien. Der Rat der Landeskirche habe zudem nicht über die Kompetenz verfügt, die Beschlüsse der Synode aus dem Jahr 2015 abzuändern oder aufzuheben.
Er beantragt,
- 1.
- die Aufhebung des Widerspruchsbescheides des Rates der Landeskirche der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 18. März 2024.
- 2.
- festzustellen, dass Beschlüsse der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck allein durch die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck geändert oder aufgehoben werden können.
- 3.
- festzustellen, dass die Entscheidung des Rates der Landeskirche der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 16. September 2023 zur Schließung der Evangelischen Jugendbildungsstätte E in F und der Familienerholungs- und Bildungsstätte D rechtswidrig gewesen ist sowie die Aufhebung dieser Entscheidung.
Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
Es fehle bereits an der Eröffnung des kirchlichen Verwaltungsrechtswegs. Die 14. Landessynode habe den Beschluss letztlich bestätigt und sich zu eigen gemacht. Entscheidungen der Landessynode unterlägen nicht der Zuständigkeit des Landeskirchengerichts.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten, des Sitzungsprotokolls über den Erörterungstermin vom 18. November 2024 sowie des Sitzungsprotokolls vom 10. Februar 2024 Bezug genommen.
#Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.
- Soweit der Kläger die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2024 begehrt, ist die Klage zulässig.
- Der kirchliche Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Es handelt sich gem. § 15 Kirchengesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD – VwGG.EKD) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Kirchengesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (Kirchenverwaltungsgerichtsgesetz) – KiVwGG – um eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art aus dem öffentlichen Kirchenrecht.Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 17 Abs. 1 Buchst. a VwGG.EKD statthaft, da es sich bei dem Widerspruchbescheid um einen kirchlichen Verwaltungsakt handelt. Zudem ist der Kläger als Adressat eines ihn belastenden kirchlichen Verwaltungsakts auch klagebefugt nach § 17 Abs. 1 VwGG.EKD.
- Die Klage ist jedoch unbegründet.Zutreffend hat die Beklagte angenommen, dass ein Widerspruchsverfahren nach § 18 Abs. 3 Nr. 1 VwGG.EKD vorliegend unzulässig ist. Nach dieser Vorschrift ist die Klage ohne Vorverfahren zulässig, wenn eine oberste Kirchenbehörde entschieden hat, sofern nicht das Recht der Gliedkirchen die Nachprüfung vorschreibt. Bei dem Rat der Landeskirche handelt es sich um eine oberste Kirchenbehörde im genannten Sinne. Dies ergibt sich etwa aus § 8 Abs. 1 KiVwGG, wonach für Entscheidungen über einen Widerspruch grundsätzlich das Landeskirchenamt zuständig ist. Richtet sich der Widerspruch indes gegen eine Maßnahme des Bischofs, des Vizepräsidenten oder des Landeskirchenamtes, so entscheidet – als übergeordnete Kirchenbehörde – der Rat der Landeskirche. Dies zugrunde gelegt ist es nach der Systematik des Gesetzes konsequent, bei Entscheidungen des Rates der Landeskirche von einem Vorverfahren abzusehen.Im Übrigen treffen auch die weiteren Erwägungen der Beklagten zu. Bei dem Beschluss des Rates der Landeskirche handelt es sich mangels Außenwirkung nicht um einen kirchlichen Verwaltungsakt nach § 22 Satz 1 Verwaltungsverfahrens- und Zustellungsgesetz (VVZG-EKD). Der Schließung der Einrichtungen stehen auch die Beschlüsse der Landessynode aus dem Jahr 2015 nicht entgegen, denn jedenfalls mit der Zustimmung der 14. Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck durch ihren Beschluss vom 29. November 2023 unter Wahrung der Beteiligungsrechte des Klägers als Landessynodalen hat die Landessynode an ihren ursprünglichen Beschlüssen aus dem Jahr 2015 nicht mehr festgehalten. Dass ihr dies zusteht, zieht selbst der Kläger nicht in Zweifel. Dies folgt auch aus Art. 89 Abs. 3 der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (GO), wonach die Landessynode in allen kirchlichen Fragen die letzte Entscheidung hat, soweit sie die Zuständigkeit nicht anders geregelt hat. Inwieweit der Rat der Landeskirche damit für die Entscheidung zuständig war, bedarf in diesem Verfahren daher keiner Entscheidung.
- Der Antrag zu 2. ist unzulässig.Der Kläger begehrt, festzustellen, dass Beschlüsse der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck allein durch die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck geändert oder aufgehoben werden können. Es dürfte bereits fraglich sein, ob der kirchliche Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Gemäß § 7 Abs. 2 KiVwGG i. V. m. § 16 Nr. 2 VwGG.EKD unterliegen Entscheidungen der Synoden nicht der kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zwar betrifft der Antrag des Klägers nicht unmittelbar eine Entscheidung der Landessynode, dennoch begehrt er im Kern eine Entscheidung des Landeskirchengerichts zu einem Aspekt synodaler Entscheidungen, nämlich ihrer Bestandskraft.Dies bedarf vorliegend indes keiner abschließenden Klärung, da es dem Kläger jedenfalls an einem Feststellungsinteresse gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 VwGG.EKD fehlt. Die begehrte Feststellung ist nicht geeignet, die Rechtsposition des Klägers in rechtlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 6 C 45.16 –, juris, Rn. 21, m. w. N.), da die Landessynode dem Beschluss des Rates der Landeskirche – wie oben ausgeführt – zugestimmt und damit jedenfalls konkludent an ihrem vorherigen Beschluss nicht weiter festgehalten hat. Die aufgeworfene Frage des Klägers stellt sich im vorliegenden Verfahren daher nicht.
- Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 3. beantragt hat, festzustellen, dass die Entscheidung des Rates der Landeskirche der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 16. September 2023 zur Schließung der Evangelischen Jugendbildungsstätte am E in F und der Familienerholungs- und Bildungsstätte D rechtswidrig gewesen ist sowie die Entscheidung aufzuheben, ist die Klage ebenfalls unzulässig.Der Kläger ist nicht klagebefugt. Er kann nicht, wie von § 17 Abs. 1 VwGG.EKD gefordert, geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Klagebefugnis ist sowohl für den Feststellungsantrag als auch für den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung des Rats der Landeskirche zwingend notwendige Zulässigkeitsvoraussetzung. Subjektive Rechte im Kirchenrecht lassen sich dabei nicht bereits aus der im staatlichen Recht bekannten Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – GG –) ableiten. Eine Bindung der Kirchen und Religionsgemeinschaften – auch als Körperschaften des öffentlichen Rechts, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 der Verfassung des Deutschen Reichs von 1919 – WRV – an staatliche Grundrechte sieht das staatliche Recht nicht vor (von Ausnahmen in Beleihungsfällen, also etwa im Friedhofswesen oder bei der Kirchensteuer abgesehen). Vielmehr handelt es sich bei ihnen um Grundrechtsberechtigte, die nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV explizit befugt sind, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranke des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (zur Frage der Grundrechtsbindung vgl. Reisgies, Evangelische Kirchenrechtsetzung, S. 113 ff.).Subjektive Rechte bedürfen vielmehr einer positiven Aufnahme in das jeweilige Recht einer Landeskirche. Denn durch die Aufnahme subjektiver Rechte soll denjenigen, die an der Verwirklichung des kirchlichen Auftrags beteiligt sind, der nötige Einfluss zur besseren Verwirklichung des kirchlichen Auftrags gesichert werden – ggf. durch Durchsetzung im gerichtlichen Verfahren (Munsonius, Evangelisches Kirchenrecht, 2015, S. 92 und 196 f., jeweils m. w. N.).Der Kläger sieht sinngemäß einen Verstoß gegen Art. 89 Abs. 3 GO. Gemäß Art. 89 Abs. 3 GO hat die Landessynode in allen kirchlichen Fragen die letzte Entscheidung, soweit sie die Zuständigkeit nicht anders geregelt hat. Ihr sind die anderen Organe für ihre Amtsführung verantwortlich. Nach Art. 98 Abs. 2 GO entscheidet die Synode mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Somit steht insbesondere das Letztentscheidungsrecht der Synode als Gesamtheit zu. Eine Vermittlung subjektiver Rechte für den einzelnen Landessynodalen lässt sich den genannten Regelungen nicht entnehmen.Ob der Kläger berechtigt gewesen wäre, die Klage namens der Landessynode zu erheben, kann offenbleiben. Denn dem Klagevorbringen kann zum einen nicht entnommen werden, dass der Kläger hilfsweise im Namen der Synode geklagt hat. Zum anderen würde auch hierfür die Klagebefugnis fehlen, da die Landessynode dem Beschluss des Rates der Landeskirche zugestimmt hat; eine Rechtsverletzung ist daher nicht ansatzweise erkennbar.Im Übrigen fehlt es der Feststellungsklage am Feststellungsinteresse. Bei vergangenen Rechtsverhältnissen setzt das berechtigte Interesse ähnlich wie bei der Fortsetzungsfeststellungsklage in Anlehnung an § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein qualifiziertes Interesse an der begehrten Feststellung voraus. Ein solches qualifiziertes Interesse steht dem Kläger nicht zur Seite, insbesondere ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass eine Wiederholungsgefahr besteht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 60 Abs. 1 VwGG.EKD.