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Kirchengesetz zur Förderung des Klimaschutzes
in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck
(Klimaschutzgesetz)

Vom 27. April 2024

KABl. S. 106, Nr. 79

Die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck hat das folgende Kirchengesetz beschlossen:
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Präambel

Klimaschutz ist nicht nur Aufgabe staatlicher Gesetzgebung, sondern auch Gegenstand kirchlichen Auftrages. Dieser begründet sich aus der Verantwortung für den christlichen Glauben zur Bewahrung der Schöpfung und zur Wahrung der Lebensrechte aller Menschen der gegenwärtigen ebenso wie der künftigen Generationen. Deshalb tritt die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck auf vielfältige Weise für Klimaschutz, globale Klimagerechtigkeit und Generationengerechtigkeit sowie Nachhaltigkeit ein. Die Beschlüsse der Pariser Weltklimakonferenz und die Verabschiedung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen von 2015 sind eine wichtige Orientierungshilfe für das kirchliche Handeln. Dieser Rahmen beschreibt Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe, die den Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung umfasst. Dieses Klimaschutzgesetz leistet einen Beitrag für Klimaschutz und ist Vorlage für mehr Verbindlichkeit und mehr Ambitionen im Klimaschutzhandeln in der Landeskirche. Ein wichtiges Ziel dabei ist die Minderung der Treibhausgasemissionen zum Schutz des Klimas und die Erreichung der Netto-Treibhausgasneutralität in der Landeskirche.
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§ 1
Zweck, Anwendungsbereich

( 1 ) Dieses Kirchengesetz legt das Klimaschutzziel für die Landeskirche fest und regelt wesentliche Anforderungen für eine effiziente Gebäudenutzung, Mobilität, Beschaffung.
( 2 ) Es gilt für die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, ihre Kirchenkreise, Kirchengemeinden und die von ihnen gebildeten Verbände und deren unselbstständige Einrichtungen (im Folgenden: kirchliche Stellen). Den der Landeskirche gemäß § 1 des Ausführungsgesetzes zum Zuordnungsgesetz der EKD zugeordneten Einrichtungen wird die Anwendung dieses Kirchengesetzes empfohlen.
( 3 ) Weitergehende staatliche und kirchliche Regelungen bleiben unberührt.
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§ 2
Begriffsbestimmungen

Es gelten die Begriffsbestimmungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) in der jeweils geltenden Fassung.
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§ 3
Allgemeine Klimaschutzziele

( 1 ) Die Treibhausgasemissionen aller kirchlichen Stellen werden so reduziert, dass spätestens mit Ende des Jahres 2045 Netto-Treibhausgasneutralität gewährleistet ist.
( 2 ) Alle kirchlichen Stellen berücksichtigen bei ihrem Nutzungsverhalten sowie ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Kirchengesetzes und die zu ihrer Erfüllung festgelegten Ziele.
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§ 4
Gebäude

( 1 ) Der Rat der Landeskirche stellt für die Umsetzung der Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen einen konkreten Zeitplan auf.
( 2 ) Jeder Kirchenkreis stellt einen Gebäudeplan auf und setzt diesen klimafreundlich um. Notwendige Maßnahmen zur Vermeidung sowie zur möglichst effizienten Nutzung von Energie werden vorgesehen.
( 3 ) Ziel ist es, in Gebäuden und sonstigen Anlagen elektrische Energie ausschließlich aus erneuerbaren Energien, die nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik zertifiziert sind, zu nutzen. Wo es bei Gebäuden möglich ist, werden Photovoltaikanlagen errichtet.
( 4 ) Auf den Einbau von neuen Heizungsanlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, oder den Anschluss an ein Wärmeversorgungsnetz, bei dem die Wärmeversorgung auf der Nutzung fossiler Brennstoffe beruht, ist zu verzichten. Ausnahmen sind besonders zu begründen. Beim Einbau von Heizungsanlagen werden, sofern möglich, klimaverträgliche Heizungstechnologien nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik verwendet, insbesondere
  1. Wärmepumpenheizungen,
  2. Solarthermie,
  3. Photovoltaikanlagen,
  4. Wärmenetze mit erneuerbaren Energien und
  5. biogene Reststoffe.
( 5 ) Sakralbauten sind aufgrund ihrer Baukonstruktion und Nutzungsintensität gesondert zu betrachten. Die heizungstechnischen Anlagen sind unter Beachtung des Klimaschutzzieles auf die Nutzungsanforderungen abzustimmen. In Sakralbauten sollen bei Heizungserneuerungen vorrangig Systeme für eine körpernahe Erwärmung oder hinsichtlich der CO2-Reduktion vergleichbare technische Lösungen eingesetzt werden.
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§ 5
Mobilität

( 1 ) Bei Dienstreisen ist auf öffentliche und klimafreundliche Verkehrsmittel zurückzugreifen, insbesondere
  1. Fahrrad,
  2. spurgebundene Verkehrs- und Transportmittel,
  3. elektrisch betriebene Fahrzeuge und
  4. öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Ausnahmen sind besonders zu begründen. Reisekostenrechtliche Regelungen bleiben unberührt.
( 2 ) Auf Inlandsflüge bei Dienstreisen ist grundsätzlich zu verzichten.
( 3 ) Soweit möglich, sollte den Mitarbeitenden die Möglichkeit des mobilen Arbeitens angeboten werden. Eine klimafreundliche Anreise der Mitarbeitenden zur jeweiligen Dienststelle soll gefördert werden.
( 4 ) Bei der Neuanschaffung von Dienstfahrzeugen soll auf die Anschaffung von Fahrzeugen mit fossiler Verbrennungstechnik verzichtet werden.
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§ 6
Beschaffung

( 1 ) Bei der Beschaffung sollen ökologisch zertifizierte, regionale und aus fairem Handel stammende Produkte eingekauft werden.
( 2 ) In kirchlichen Einrichtungen und Kantinen sollen ökologisch zertifizierte, faire, regionale, saisonale und das Tierwohl angemessen berücksichtigende Lebensmittel sowie fleischreduzierte Mahlzeiten angeboten werden.
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§ 7
Nutzung von erneuerbaren Energien auf Freiflächen

Soweit ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll und sozial vertretbar, sollen auch Freiflächen für erneuerbare Energien genutzt werden.
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§ 8
Bildung und Kommunikation

( 1 ) Die Themen Schöpfungsverantwortung und Klimagerechtigkeit sind regelmäßig in Gottesdiensten, anderen spirituellen Angeboten und in den kirchlichen Bildungseinrichtungen und -veranstaltungen zu thematisieren.
( 2 ) Schöpfungstheologie und Schöpfungsspiritualität werden regelmäßig in der Ausbildung von haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden in den pastoralen und pädagogischen Arbeitsfeldern thematisiert. Auf die Anpassung der Curricula ist hinzuwirken.
( 3 ) Es werden Kommunikationskonzepte zu den Themen Schöpfungsverantwortung, Klimagerechtigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung entwickelt.
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§ 9
Datenerhebung

( 1 ) Die für die Erreichung der Ziele erheblichen Daten zu Treibhausgasemissionen werden ab dem 1. Januar 2024 jährlich erhoben, um eine Auswertung des erreichten Klimaschutzniveaus in der Landeskirche zu ermöglichen.
( 2 ) Ab 2025 evaluiert und bewertet das Landeskirchenamt alle zwei Jahre den Stand der Treibhausgasemissionen in der Landeskirche und erstattet dem Rat der Landeskirche Bericht.
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§ 10
Fachstelle für Klimaschutz

Die Landeskirche unterhält eine Fachstelle für Klimaschutz. Die Fachstelle unterstützt und berät die kirchlichen Stellen bei der Umsetzung der Maßnahmen und der Erreichung der Ziele dieses Kirchengesetzes. Das Nähere regelt eine Ordnung des Landeskirchenamtes.
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§ 11
Finanzierung, Kompensation und Finanzanlagen

( 1 ) Zur Finanzierung der vorgenannten Zwecke und Maßnahmen werden geeignete Finanzierungsinstrumente entwickelt.1#
( 2 ) Die Netto-Treibhausgasneutralität soll durch Vermeidung und Reduzierung von Treibhausgasemissionen geschehen. Art und Umfang der Kompensation der verbliebenen Emissionen werden in einem Klimaplan festgelegt.
( 3 ) Bei Finanzanlagen sind die Klimawirkungen als notwendiger Bestandteil einer ethisch-nachhaltigen Geldanlage zu berücksichtigen.2#
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§ 12
Ausführungsbestimmungen

Das Landeskirchenamt wird ermächtigt, Ausführungsbestimmungen zu erlassen.
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§ 13
Inkrafttreten

Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Juli 2024 in Kraft.